Einige Zeit ist es um welcome2wuppertal ziemlich ruhig gewesen. Wir haben unser monatliches Frühstück im ADA fortgesetzt (jeden dritten Sonntag im Monat ab 11:00 Uhr) und auch der „Sprachkurs für alle“ findet in verringertem Umfang bis heute statt (Infos in der Sidebar). Andere Aktivitäten wurden jedoch zurückgefahren, nachdem unsere Initiative, im Rahmen des europäischen Relocation-Programms Geflüchtete nach Wuppertal zu holen vom Stadtrat abgelehnt wurde. Ursächlich dafür war nicht der uns nicht überraschende lokale Misserfolg, als vielmehr eine Vielzahl anderer Gründe, die wesentlich in einem nachholenden Lernprozess unsereseits zu finden sind. Hinzu kam eine ganz normale Entwicklung einer Gruppe, deren Aktive in größerer Zahl ein neues Leben in unserer Stadt begonnen haben. Viele unserer Freunde und Freundinnen sind inzwischen unsere Nachbarn oder unsere Kolleginnen.
Wer das sehen möchte, kann das durchaus als gesellschaftlichen Erfolg werten. Leider steht anderthalb Jahre nach dem „Sommer der Migration“ eine völlig andere Wahrnehmung im medialen und politischen Fokus – getrieben von phantasmagorischen Erzählungen des Scheiterns und der Überforderung, die zu sehr besorgniserregenden politischen Entwicklungen geführt haben. Als wir zum Befreiungstag im April 2016 über den Jahrestag der schändlichen Konferenz von Evian sprachen, bei der vor Nazi-Deutschland fliehenden jüdischen Menschen global eine Rettung verweigert wurde, war das schon zu erahnen; dass am Ende des Jahres über 5.000 an Europas Grenzen gestorbene Menschen eher schulterzuckend bilanziert worden sind, hat uns dennoch geschockt.
Der Umgang mit nach Deutschland flüchtenden Menschen ist inzwischen fast wieder auf einem Niveau angelangt, das an schlimme Zeiten vor zwanzig Jahren erinnert. Leider müssen wir konstatieren, dass es in vielen Teilen Europas und der Welt allerdings noch finsterer aussieht. Für diese Feststellung bedurfte es keines Donald Trump mehr. Ein Großteil der Welt scheint sich darauf geeinigt zu haben, Migration ausschließlich als Problem der Zufluchtsorte anzusehen, für das tödliche Meere oder Mauern eine gute Lösung sind. Vor diesem Hintergrund erstaunt es fast, dass die deutsche Gesellschaft eher stabil erscheint.
Zwar werden das massenhafte Sterben im Mittelmeer und die unerträglichen Bedingungen in griechischen oder serbischen Refugeecamps so gut es geht ausgeblendet, doch noch immer befürwortet laut letzter „Mittestudie“ eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung die Aufnahme von flüchtenden Menschen und laut neuester Umfage lehnen über 80% der Befragten den US-Einreisestop für Menschen aus sieben muslimischen Staaten ab. Im öffentlichen Diskurs schlägt sich das jedoch kaum nieder. Dieser widmet sich mit Hingabe fast ausschließlich jenem Fünftel der Bevölkerung, das „rechtspopulistisch“ ansprechbar ist und in Wahrheit schon immer rassistische Einstellungen pflegte. Das haben alle so genannten „Heitmeyer-Studien“ der letzten Jahre belegt.
Und es ist zu befürchten, dass diese Diskursverschiebung – hin zu rassistischen Einstellungen und restriktiver Gesetzgebung in diesem Jahr noch weiter gepusht werden wird. Die Diskussionen zum massenhaften Racial Profiling der Kölner Polizei in der Silvesternacht waren dafür ein kleiner Vorgeschmack. Die bevorstehenden Wahlen in NRW und Deutschland und die Wahlen in Frankreich und den Niederlanden drohen, die Hysterie gesellschaftlicher Diskussionen weiter zu steigern und eine zynische, unmenschliche Besänftigungspolitik mit mehr und mehr Abschiebungen, ausgedehnter Abschiebehaft und immer alltäglicherem Racial Profiling wird in der Folge weiter zunehmen.
Unsere Aufgabe ist es zusammen dagegen zu halten.
w2wtal will deshalb am Beginn eines wichtigen Jahres einen Neustart versuchen. Als Initiative aus Wuppertal, einer Stadt, die von Xenophoben und Nazis bundesweit gerne als negatives Abziehbild ihrer wahnhaften Vorstellungen mißbraucht wird, sehen wir uns in einer besonderen Verantwortung unser Leben in der „Greyzone“ zu verteidigen. Zusammen mit unseren FreundInnen müssen wir andere Bilder und Erzählungen in den Diskurs einzuspeisen. Ebenso notwendig ist es, kürzlich nach Europa gekommenen Menschen auf die Auswirkungen eines hysterischen Wahlkampfs vorzubereiten. Nicht zuletzt wird es auch darum gehen, gemeinsam schützende Strukturen aufzubauen.
Um diese Herausforderung anzugehen, braucht w2wtal neue MitstreiterInnen – schon lange hier wohnende Menschen und Neu-WuppertalerInnen – die sich für politische Entwicklungen interessieren und die sich vorstellen können, gemeinsam Strategien zur Verteidigung unseres Zusammenlebens zu entwickeln. Wir haben verabredet, uns in Zukunft wieder ein zweites Mal monatlich zu treffen, um uns kennenzulernen und über politische Entwicklungen auszutauschen. Erstmals treffen wir uns diesen Samstag (4. Februar) um 20 Uhr im ADA, Wiesenstraße 6 in Wuppertal-Elberfeld.
Ihr seid herzlich eingeladen vorbeizukommen und mitzumachen.