Wir rufen zu zivilem Ungehorsam auf!

Bei der Demonstration der Seebrücke Wuppertal am bundesweiten Aktionstag gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung haben wir zu zivilem Ungehorsam der Wuppertaler*innen aufgerufen. Was es jetzt braucht, ist eine breite Allianz für ein Bürger*innen-Asyl in unserer Stadt.

Die ganze Rede im Wortlaut:

Unsere Kapitänin Carola Rackete ist frei. Ihre aus Seenot geretteten Passagiere sind den lybischen Folterlagern entkommen. Doch darüberhinaus wurde nichts erreicht. Nur wenige Stunden nach ihrer Freilassung sind erneut Dutzende Menschen auf der Reise nach Europa im Mittelmeer ertrunken und die Sea-Eye musste sich am Freitag einem Befehl widersetzen, Gerettete in Lybien auszusetzen. Das Ertrinken und das Zurückschicken gehen unvermindert weiter.

Ungeachtet dessen war die öffentliche Solidarität mit der Sea Watch-Kapitänin sehr groß. Fernsehstars sammelten viel Geld, die Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender berichteten zur besten Sendezeit und selbst Politiker_innen der deutschen Parteien forderten ihre Freilassung.

Der Unmut richtete sich meist gegen den faschistischen Innenminister Italiens, Roberto Salvini, und die italienische Regierung. Bundespräsident Steinmeier meinte gar, Italien daran erinnern zu müssen, dass es einmal EU-Gründungsmitglied gewesen ist.

Das ist verlogen und heuchlerisch. Es soll davon ablenken, dass Italien die EU-Vorgaben im Sinne Deutschlands und anderer Mitgliedsstaaten lediglich besonders konsequent umsetzt, wenn es die Rettung Flüchtender verweigert. Aus italienischer Sicht besteht die Notwendigkeit dazu, weil Deutschland und andere EU-Staaten auf Einhaltung des Dublin-Abkommens bestehen. Demnach müssen in Italien angekommene Refugees auch dort bleiben.

Die Bundesregierung hätte dem zynischen Schauspiel vor Lampedusa ein schnelles Ende bereiten können, wenn sie die Bereitschaft vieler deutscher Städte, Gerettete aufzunehmen, in eigenes Handeln umgesetzt hätte. Es ist beschämend, dass die Verantwortung der Bundesregierung für die europäischen Zustände hinter der berechtigten Empörung über eine faschistische Regierungspolitik Italiens verschwindet.

Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass es die Bundesregierung ist, die seit Monaten verstärkt versucht, ursprünglich in Italien angekommene Menschen dorthin zurück zu schicken – wohlwissend, unter welchen Bedingungen sie dort ausgebeutet werden.

Es darf nicht vergessen werden, dass es vor allem die Regierung Angela Merkels ist, die mit türkischen oder afrikanischen Diktaturen „Abkommen“ schließt, die nur dem Ziel dienen, das erbärmliche Sterben auf der Flucht aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit in die Unsichtbarkeit von Folterlagern und tödlicher Wüsten zu verlagern.

Und es darf nicht vergessen werden, dass fast zeitgleich mit dem Drama um die Sea Watch durch den Bundesrat das furchtbarste Asylrechts- und Diskrimierungspaket seit dem Ende des Nationalsozialismus verabschiedet worden ist. Mit ihm sollen Menschen künftig noch willkürlicher als bisher deportiert und inhaftiert werden können.

Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Inhaftierung von Familien – auch von Kindern – und drastische Kürzungen von Sozialleistungen unter das Existenzminimum sind nur einige Konsequenzen aus der neuen Gesetzgebung, die mit Stimmen der SPD und der Bundesrats-Grünen verabschiedet wurde.

Der seit 2015 fortlaufend ausgebaute Entzug von Grundrechten für Geflüchtete hat nur einen Zweck: Abschreckung von Refugees und die Umsetzung einer von Konservativen und Rechten formulierten Agenda der Menschenfeindlichkeit. Schließlich begannen Teile der Union noch während das „zivilgesellschaftliche“ Engagement für Geflüchtete gefeiert wurde, mit ihrem Rollback, für den sich krakeelende Pegida- und AfD-Mobs bestens instrumentalisieren ließen.

Heute haben es die Seehofers und De Maizieres an der Regierung geschafft. Im Zusammenspiel mit BILD und anderen willigen Medien haben sie den Diskurs derart weit nach rechts verschoben, dass heute auch ein SPD-Mitglied und ehemaliger Vorsitzender des Wuppertaler Integrationsrates, Helge Lindh, einer Entrechtung geflüchteter Menschen im Bundestag zustimmt und Kritik an seinem Verhalten als „unzulässigen Druck“ bezeichnet.

Was Helge Lindh und viele andere jedoch übersehen, ist, dass zwar der Diskurs, nicht aber die Überzeugungen der Mehrheit der Menschen verschoben wurden. Noch immer engagieren sich Millionen Menschen für ein gutes Zusammenleben aller die hier leben. Noch immer spricht sich eine Dreiviertel-Mehrheit für eine aktive Rettung von in Seenot Geratenen aus. Noch immer kämpfen Tausende gegen die Abschiebungen von Freundinnen, Nachbarn und Kolleginnen. Noch immer wollen sich viele auch nicht damit abfinden, dass Menschen in Isolierungslagern von ihnen ferngehalten werden sollen.

Die Gesellschaft der immer, schon länger und gerade erst neu hier lebenden Menschen erhält durch diese Gesetze Schlagseite. Die vielbeschworene Zivilgesellschaft gerät immer mehr selber in „Seenot“. Und spätestens mit der Verabschiedung des Hau-Ab-Gesetzes haben alle eines verstanden: Sie dürfen nicht auf Unterstützung durch die regierenden Parteien hoffen.

In dieser Lage bleibt uns auf dem Festland kaum etwas anderes übrig als unseren Freund_innen auf See: Wir müssen das Ganze selber machen. So lange, wie es nötig ist, und so konsequent wie Carola Rackete.

Deshalb rufen wir alle Wuppertaler_innen zu zivilem Ungehorsam auf:

Lasst uns zeigen, dass wir diese Gesetze nicht akzeptieren werden, weil sie Grundsätze der Menschlichkeit infrage stellen. Lasst uns die Strukturen aufbauen, die nötig sind, um von Abschiebung Bedrohten zu helfen.

Lasst uns auch in der Stadt, die sich nicht einmal dazu durchringen konnte, sich als „sicherer Hafen“ zu erklären, die Basis für ein Bürger_innen-Asyl schaffen – wie bereits in vielen anderen Städten geschehen. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Bürger_innen-Asyl zu unterstützen und mitzumachen.

Lasst uns unsere Stadt zu einer solidarischen Stadt zu machen. Wir brauchen dafür keinen Stadtratsbeschluss.

Für ein Bürger_innen-Asyl in Wuppertal!
In der Stadt zu bleiben ist kein Verbrechen!

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  • Das nächste w2wtal-Plenum findet am Freitag, den 30.8.2019 um 15 Uhr statt.
    Ort: Robertstr. 5 a, Wuppertal-Elberfeld


    Zeit und Ort der nächsten AG-Treffen erfahrt ihr am besten über unseren telegram-Kanal.


  • Wir rufen zu Gründung eines Wuppertaler Bürger*innen-Asyls auf. In vielen Städten haben sich bereits Initiativen gebildet, die von Abschiebung bedrohten Menschen konkret helfen möchten.

    In Kürze werden wir zu einer Informations-Veranstaltung zum Bürger*innen-Asyl einladen. Ort und Zeit erfahrt ihr an dieser Stelle und über unsere anderen Kanäle.

    Bis dahin lassen sich viele Infos bereits hier finden: aktionbuergerinnenasyl.de


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