Am 6.7.2019 haben wir uns bei der Demonstration „Notstand der Menschlichkeit“ der Seebrücke Wuppertal am bundesweiten Aktionstag gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung beteiligt. Wir dokumentieren hier unseren dabei verteilten Text zum Aktionstag.
Für ein Bürger*innen-Asyl in Wuppertal!
In der Stadt zu bleiben ist kein Verbrechen!
Eine systematische Entmenschlichung geflüchteter Menschen
Seit 2015 jagt eine Asylrechtsverschärfung die nächste. Was auf den Weg gebracht wurde, hatte bereits bisher dramatische Folgen. So wurde das Recht auf Familiennachzug zunächst gestrichen und dann nicht wieder eingeführt. Die Folge sind viele auseinandergerissene Familien und mit uns lebende Menschen, die vor Sorge um Angehörige keinen klaren Gedanken fassen können. Die personelle Unterbesetzung des BAMF wurde genutzt, unfaire Asylschnellverfahren einzuführen. Das hat zu einer nicht hinnehmbaren Quote an falschen Asylbescheiden geführt. Geflüchtete erhielten Wohnsitzauflagen – oft mit der Folge, dass sie bis heute in schlimmen Unterbringungen leben müssen, weil sich am Ort keine Wohnungen finden lassen – z.B. in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Schwelm oder Heiligenhaus. Außerdem wurden die Voraussetzungen für Abschiebungen schon in den letzten Jahren drastisch verschärft: Kranke Menschen werden abgeschoben; Menschen, die teils seit Jahrzehnten mit uns leben werden abgeschoben; Menschen, die am Zielort Ausgrenzung, Verfolgung und Krieg erwarten müssen, werden abgeschoben.
Doch Innenminister Seehofer und der CDU/CSU reichte das alles nicht. Die aktuell beschlossenen neuen Verschärfungen im Rahmen der „Hau-Ab“-Gesetze schränken Grundrechte von Geflüchteten und Menschen ohne EU-Pass drastisch weiter ein. Die in einer Nacht- und Nebelaktion eiligst beschlossenen neue Gesetze ermöglichen jetzt z.B. auch eine Inhaftierung von Familien. Treffen kann das nicht nur Menschen, die sich einer „Abschiebung aktiv entziehen“, wie Seehofer phantasiert, sondern beinahe jede/n. Ein Grund für Inhaftierung ist das „Überschreiten der Ausreisefrist“; da diese i.d.R. nicht länger als vier Wochen ist, trifft das praktisch auf alle „Geduldeten“ zu. Auch jeder/jedem, dem/der vorgeworfen wird, bei Passbeschaffung und Identitätsklärung „nicht genug“ mitgewirkt zu haben, droht künftig eine so genannte bis zu zweiwöchige „Mitwirkungshaft“. Praktisch niemand, der abgeschoben werden soll, ist demnach künftig vor willkürlicher Haft sicher.
Wer dennoch nicht inhaftiert ist und zum Zeitpunkt seiner Abschiebung zuhause nicht anzutreffen war, läuft mit dem neuen Gesetz zudem Gefahr, zum Opfer einer Jagd durch die Polizei zu werden. Um diese zu ermöglichen, setzt das neue Gesetz Grundrechte auch „normaler Bürger*innen“ außer Kraft, zum Beispiel die Unverletztlichkeit der eigenen Wohnung. Für Durchsuchungen von Wohnungen, in denen Abzuschiebende vermutet werden, benötigt der Staat künftig keinen richterlichen Beschluss mehr.
Und für jene, die trotz weiterer Beschneidung objektiver Abschiebehindernisse partout nicht deportiert werden können, wird durch die neuen Gesetze eine Existenzsicherung unterhalb des menschlichen Existenzminimums eingeführt. Noch schlimmer trifft es Menschen, die in einem anderen EU-Land einen internationalen Schutzstatus haben und „ausreisepflichtig“ sind. Sie sollen nach nur zwei Wochen gar keine Leistungen mehr bekommen; also auch keine Unterkunft mehr. Die ersten Menschen könnten theoretisch ab Mitte August auf die Straße gesetzt werden, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt.
Die Beschneidung der Rechte Geflüchteter zielt auf Abschreckung und Ausgrenzung
Europas und Deutschlands Wohlstand basiert auf kolonialen Enteignungen und auf andauernder neo-kolonialer Ausbeutung von Ressourcen und Menschen im globalen Süden, sowie auf der Hinnahme immer größerer ökologischen Katastrophen, die vor allem ebenfalls die Länder des Südens treffen. Während sich die deutsche Waffenhändler über Profite in Milliardenhöhe freuen, müssen Millionen vor den Bomben und Schusswaffen fliehen, die autoritären Regimen den Rücken stärken und Kriege befeuern. Während die Kleinbauern des Trikonts unter Ernteausfällen und Saatgut-Knebelverträgen leiden, beklagen sich hier Bayer-Aktionäre über Gewinnverluste durch die Monsanto-Übernahme und den dadurch notwendigen Verzicht auf eine neue Yacht. Während bereits jetzt Hunderttausenden der Boden unter den Füßen wegschwimmt, kann Laschets „Kohlerevier“ die Schließung der Braunkohle-Industrie angeblich nicht verkraften.
Menschen, die vor diesen Zuständen und dieser Ungerechtigkeit fliehen, wird hier jedoch nur dann eine Lebensberechtigung zugesprochen, wenn sie „Opfer genug“ sind und die immer enger werdenden Kriterien für einen Flüchtlingsstatus erfüllen. Sofern Menschen nicht als billige Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft von Nutzen sind bzw. sofern sie sich nicht ökonomisch ausbeuten lassen, sind Menschen aus dem globalen Süden schlicht unerwünscht. Sie werden abgeschreckt, abgelehnt und sollen letztlich verschwinden, d.h. abgeschoben werden. Sie stellen eine „Belastung“ Deutschlands dar.
Die Politik der Bundesregierung versucht, uns, als Gesellschaft, entlang einer kapitalistischen Verwertungs- und entlang einer nationalistischen Ausgrenzungslogik zu spalten. Die neuen Gesetze sind – wie auch der aktuell diskutierte Neuentwurf des Staatsbürgerschaftsrechts – ein weiterer Versuch, uns eine völkisch-nationalistische Definition davon aufzuerlegen, wer Teil unserer Gesellschaft sein kann und wer nicht.
Wir stellen uns dieser auf Rassismus fußenden Ausgrenzungspolitik entgegen. Wir akzeptieren die von der Politik gezogenen Trennline nicht. Wir stehen gegen Abschiebungen auf und gegen das Verschleppen unserer Freund*innen, Nachbar_*innen und Kolleg*innen in Länder, in denen sie nicht leben können und in denen ihr Leben in Gefahr ist. Unser Zusammenhalt ist stärker als ihre Gesetze!
Wir sind gefordert, solidarisch zu sein: Solidarisch mit Menschen, denen es schlechter geht als uns und solidarisch mit allen Menschen, die im Mittelmeer oder sonstwo anderen helfen zu überleben. Beispielsweise im Rahmen eines Bürger*innen-Asyls, das sich schon in vielen deutschen Städten gebildet hat. Wir glauben, dass spätestens jetzt die Zeit ist, auch in Wuppertal Solidarität zu zeigen und konkret in die Praxis umzusetzen.
w2wtal erklärt sich mit der Sea Watch-Crew und allen anderen Seenotretter_innen solidarisch! Wir fordern die Stadt Wuppertal auf, sich jenen Städten anzuschließen, die sich zum „sicheren Hafen erklärt haben, und ebenfalls Kontingente Geretteter aufzunehmen!