Mit uns Lösungen suchen, nicht gegen uns! Erklärung von Refugees

In Wuppertal lebende geflüchtete Menschen veröf­fent­lichen eine Erklärung zu ihrer Situation und zum geplanten neuen Asylrecht.

(Article in english)

Am Weltflüchtlingstag veröffentlichen einige in Wuppertal lebende Refugees eine eigene Erklärung zur geplanten Verschärfung des Asylrechts. Wir hatten sie darum gebeten, denn im teils offen rassistisch geführten Diskurs um den zukünftigen Umgang mit geflüchteten Menschen in Deutschland fehlt bis jetzt ausgerechnet die Stimme der am meisten von den Verschärfungen betroffenen Menschen. Das Statement soll auch ein Beitrag sein, mit der angesichts eines Gesetzes zur „Selektion, Internierung und Deportation“ notwendigen Neubestimmung gemeinsamer Solidarität von Seiten der Refugees zu beginnen. Die Erklärung wird ab heute bei verschiedenen Veranstaltungen von und für geflüchtete Menschen in Wuppertal verteilt. Am Samstag, den 3.Oktober möchten wir von w2wtal, und Verfasser*innen der Erklärung gerne über die Inhalte und über Möglichkeiten zum gemeinsamen Handeln reden. Dazu laden wir zu einem „Refugees Welcome Area Ölberg“-Abend ins Café Stil-Bruch am Otto-Böhne Platz ein.

Hier die Erklärung im Wortlaut (english, arabic العربية)

Mit uns Lösungen suchen, nicht gegen uns!

Ihr macht Unterschiede bei den Geflüchteten – nicht wir!

Wir sind sehr dankbar dafür, nach einer anstren­genden, ungewissen und manchmal gefähr­lichen Reise nun hier in Sicherheit leben zu können. Wir danken allen, die uns warmherzig begrüßt haben und unter­stützen. Das hilft sehr.

Doch jetzt haben wir erfahren, dass die deutsche Regierung, nach der Ankunft vieler Menschen die mit uns auf der Flucht waren, plant, das Asylgesetz zu ändern. Viele Punkte im Gesetzesentwurf machen auf uns den Eindruck, dass nicht mit uns nach Lösungen gesucht wird sondern gegen uns.

Unsere Lage ist durchaus unter­schiedlich. Viele Menschen aus Syrien haben oft Sorgen um ihre Familien, die sich immer noch im Kriegsgebiet befinden, andere Refugees haben große Angst, dass sie wieder in unmensch­liche Lager und Länder zurück­gehen sollen, in denen sich die Behörden nicht um die ankom­menden geflüch­teten Menschen kümmern und wo sie nicht leben können. Doch alle Menschen, die nach ihrer Flucht in Deutschland angekommen sind, stehen hier jedoch vor ähnlichen Problemen, unabhängig von der Lage in ihrer Heimat, ihrer Herkunft und der indivi­du­ellen Gründe, die sie dazu gezwungen haben, ihre Heimat, ihre Freunde und manchmal auch ihre Familien zu verlassen.

Die Situation ist für uns und auch für die deutschen Menschen kompli­ziert. Wir wollen gerne gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir glauben, dass die Umsetzung unserer Wünsche nicht nur für uns, sondern auch für die gesamte Situation hilfreich sein könnte. Leider finden wir davon jedoch nichts in den Plänen zum Asylrecht, bei vielen Punkten soll sogar das Gegenteil gemacht werden.

Für uns als geflüchtete Menschen sind die wichtigsten Punkte:

  • Alle, die jetzt in Deutschland sind, sollten bleiben können. Wir finden es schrecklich, wenn gesagt wird, dass, wenn einige von uns bleiben dürfen, andere als Kompensation Deutschland wieder verlassen müssen. Wir als Geflüchtete sehen keinen Unterschied darin, ob jemand sein Land verlassen muss, weil das Leben dort aufgrund fehlender Möglichkeiten und Rechte bedroht war, oder ob ein Mensch fliehen muss, weil sein Leben von anderen bedroht wird. Unterschiede zwischen verschie­denen Gruppen Geflüchteter werden von Behörden gemacht, nicht von uns!
  • Der Prozess der Entscheidung, ob wir hier bleiben dürfen, muss trans­pa­renter werden. Die Verfahren, in denen über Anträge entschieden wird, sind langwierig und sehr kompli­ziert. Fast alle Lebensentscheidungen hängen für uns von diesen Verfahren ab, deshalb ist es so schwer zu verstehen, warum einige Verfahren ganz schnell gehen, andere jedoch sehr lange dauern. Wenn jemand warten muss, ist es gut zu wissen, wie lange gewartet werden muss. Doch niemand klärt uns auf, warum etwas wie lange dauert. Für die, die jeden Tag hoffen, Angehörige aus dem Krieg holen zu können, dauern die Verfahren auch zu lange.
  • Jeder Mensch, der Europa erreicht hat, sollte dort auswählen können, wo er leben möchte. Manchmal dürfen nicht einmal Söhne und Töchter in den Ort ziehen, in dem ihre Eltern leben. Dabei würden sich Verwandte und Freunde sehr gut gegen­seitig helfen können, hier ein neues Leben zu beginnen. Die Menschen in Europa sollten auch akzep­tieren, dass sich Menschen, die alles riskieren um eine neue Perspektive zu finden, nicht einfach in solche Länder umsiedeln lassen, in denen es für sie auch wieder keine Perspektive gibt. Das «Dublin»-System ist unmenschlich und ungerecht. Es sollte umgehend abgeschafft werden.
  • Es sollte allen auch erlaubt werden, eine Arbeit in Deutschland zu suchen. Jeder Mensch will arbeiten und für sich selbst sorgen. Arbeiten zu können ist Teil unserer Würde. Ein Mensch mit Arbeit braucht auch keine Unterstützung und kann sogar noch andere unter­stützen. Viele von uns haben einen Beruf gelernt. Wir verstehen nicht, warum es so schwer ist, hier wieder in diesem Beruf zu arbeiten. Stattdessen soll das Verbot eine Arbeit zu suchen, für viele von uns noch ausge­weitet werden. Für Menschen mit unsicherem Status soll das sogar für die ganze Zeit bis zur Beendigung ihres Asylverfahrens gelten. Das ist nicht verständlich.
  • Jeder Mensch sollte ohne Unterschied Zugang zu Sprachkursen und zu Bildungsmöglichkeiten haben. Wieso bekommen einige Hilfe beim Deutschlernen und andere dürfen nicht in Kurse? Viele Geflüchtete sind jung, manche waren vor ihrer Flucht noch in der Schule oder haben studiert. Wir haben gehört, dass es in Zukunft in einigen Lagern nicht einmal mehr Schulunterricht für unsere Kinder geben soll. Wir finden das falsch. Alle Kinder sollten die Möglichkeit haben zu lernen, egal woher sie kommen oder wer ihre Eltern sind.

Das sind unsere wichtigsten Punkte. Wie sie sich umgesetzen lassen und welche Schwierigkeiten dabei entstehen können, möchten wir am liebsten zusammen mit den Menschen besprechen, mit denen wir jetzt gemeinsam hier leben. Wir möchten an Lösungen mitarbeiten.

Diese Erklärung einiger jetzt in Wuppertal lebender geflüch­teter Menschen wurde gemeinsam mit w2wtal (welcome2wuppertal) verfasst und wird von „kein mensch ist illegal» Wuppertal unter­stützt.

Um die Erklärung als pdf-Datei herunterzuladen und zu verbreiten, nutzt folgende Links:

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  • Das nächste w2wtal-Plenum findet am Freitag, den 30.8.2019 um 15 Uhr statt.
    Ort: Robertstr. 5 a, Wuppertal-Elberfeld


    Zeit und Ort der nächsten AG-Treffen erfahrt ihr am besten über unseren telegram-Kanal.


  • Wir rufen zu Gründung eines Wuppertaler Bürger*innen-Asyls auf. In vielen Städten haben sich bereits Initiativen gebildet, die von Abschiebung bedrohten Menschen konkret helfen möchten.

    In Kürze werden wir zu einer Informations-Veranstaltung zum Bürger*innen-Asyl einladen. Ort und Zeit erfahrt ihr an dieser Stelle und über unsere anderen Kanäle.

    Bis dahin lassen sich viele Infos bereits hier finden: aktionbuergerinnenasyl.de


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